Korrekte Übersetzungen können Leben retten

Auf ein Missverhältnis wies Marine Carpuat gleich zu Beginn ihres Vortrags am TUM Campus Heilbronn hin: „99,97 Prozent der Nutzer maschineller Übersetzungen sind Laien, aber die Forschung unterstützt hauptsächlich professionelle Übersetzer.“ Die Professorin für Informatik an der University of Maryland sprach auf Einladung von Alexander Fraser, Professor für Data Analytics & Statistics an der TUM School of Computation, Information and Technology am TUM Campus Heilbronn zum Thema „Rethinking Machine Translation in the Age of Large Language Models“. Der Vortrag war Teil des „Workshops on Natural Language Processing and Data Engineering” von Alexander Fraser und Maribel Acosta, Professorin für Data Engineering an der TUM School of Computation, Information and Technology am TUM Campus Heilbronn. Dabei stellten auch Studierende an den beiden Lehrstühlen in Heilbronn und Garching ihre Forschungsposter zu Themen wie beispielsweise Einheitentypisierung in Wissensgraphen mit großen Sprachmodellen oder Textbasierte Emotionserkennung vor.

„Wir haben uns noch nicht genug Gedanken gemacht, wie wir den Nutzern helfen können“, sagte Carpuat in ihrem Vortrag. Doch wer sind diese Nutzerinnen und Nutzer und in welchen Situationen greifen sie auf Maschinelle Übersetzungen zurück? Darüber geben verschiedene Studien aus den letzten Jahren Auskunft: Arbeitsmigrantinnen und -migranten nutzen Maschinelle Übersetzungen, wenn sie neue Jobs suchen, mit potenziellen Arbeitgebern Kontakt aufnehmen wollen oder Informationen zur Gesundheitsversorgung finden wollen. Wenn junge Leute etwas übersetzen wollen, nutzen sie in erster Linie Generative KI. In der Regel seien die User also auf der Suche nach ersten Informationen, nicht nach der perfekten Übersetzung.

Gefährliche Übersetzungsfehler

Dass es trotzdem dramatische Folgen haben kann, wenn die Maschinelle Übersetzung nur bei einem Wort fehlerhaft ist, zeigt Carpuat anhand einiger Beispiele aus aller Welt: Da bricht ein tödlicher Streit zwischen einem in Korea lebenden Chinesen und seinem einheimischen Bekannten aus, weil der Chinese die Frau des Koreaners unabsichtlich als Mitarbeiterin eines Nachtclubs bezeichnet hat – aufgrund eines Übersetzungsfehlers. Da wird ein arabischer Israeli festgenommen und verhört, weil die automatische Übersetzung aus einem arabischsprachigen „Guten Morgen“, das er seinem Foto auf einem sozialen Netzwerk hinzugefügt hat, auf Hebräisch fälschlicherweise ein „Greife sie an“ machte. Aber auch im medizinischen Kontext kann es zu gravierenden Missverständnissen kommen, wenn etwa die Ärztin ihrer Patientin auf Englisch empfiehlt, ihre Medikamente abzusetzen, diese aber durch die Maschinelle Übersetzung in ihre Muttersprache versteht, sie solle die Medikamente weiter einnehmen.

Wie können Ärzte entscheiden ob eine Maschinelle Übersetzung gut genug ist, um mit Patienten zu kommunizieren, die eine andere Sprache sprechen? Mit ihrer Forschungsgruppe hat Carpuat dazu englischsprachige medizinische Instruktionen und ihre automatischen Übersetzungen ins Chinesische zuerst von einem Qualitätsbewertungsmodell evaluieren lassen. Dann wurden die chinesischen Texte noch automatisch rückübersetzt. Die wichtigsten Erkenntnisse: Die Qualitätsbewertung war für die Medizinerinnen und Mediziner eine große Entscheidungshilfe, ob sie der automatischen Übersetzung vertrauen können. Die Rückübersetzung erfüllte diesen Zweck nicht, war aber besser darin, kritische Fehler zu identifizieren.

Um Kommunikation, die durch Tools zur Natürlichen Sprachverarbeitung vermittelt wird, zuverlässig und vertrauenswürdig zu machen, schlug Carpuat daher einen Dreiklang vor: eine erklärbare Qualitätsbewertung, Maschinelle Übersetzungen als Mediator zwischen Muttersprachlern und Nicht-Muttersprachlern sowie eine besseren Bildung der Öffentlichkeit zu Maschinellen Übersetzungen und KI generell.

Die Rolle des kulturellen Kontexts

Akkurate Übersetzungen können also lebensnotwendig sein, aber unter Umständen reichen sie nicht aus. Hier kommen die sogenannten Explizierungen (explicitations) ins Spiel. Carpuat nannte als Beispiel „Charlie Hebdo“: Den meisten Franzosen sei der Name des Magazins vertraut. Bei der Übersetzung eines französischsprachigen Textes in andere Sprachen müsse aber die Explizierung hinzugefügt werden, dass es sich um eine französische Satirezeitschrift handelt.

In einem weiteren Projekt erforscht Carpuat, ob Explizierungen automatisch generiert und wie diese Erstellung bewertet werden kann. Dazu ließ sie Explizierungen aus der englischsprachigen Wikipedia mit französischem, polnischen und spanischen Ursprungstext von professionellen Übersetzern bewerten und gegebenenfalls korrigieren. Anschließend bewerteten die gleichen Übersetzer noch, ob die jeweilige Explizierung aus ihrer Sicht notwendig, passend und gut in den Text integriert sei.

„Um Menschen bei der Kommunikation über Sprachen hinweg mit natürlicher Sprachverarbeitung zu unterstützen, braucht es viel mehr als die bloße Maschinelle Übersetzung“, fasste Carpuat zusammen. Es brauche Tools, die ihnen beispielsweise helfen, sich auf die Ergebnisse zu verlassen, diese an den Nutzungskontext anzupassen sowie Text und Sprache in vielen Sprachen zu verwenden. Und nicht zuletzt: „Wir brauchen ein breiteres Spektrum an Tests, um die Nützlichkeit sowohl in praktischen Anwendungen als auch in Studien mit Menschen zu bewerten.“

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