Wir alle sind mit der Vorstellung vertraut, dass einfache Bausteine in der Natur zusammenwirken, um komplexe Strukturen zu bilden. Atome verbinden sich zu Molekülen, Moleküle verbinden sich zu Zellen, Zellen verbinden sich zu Gewebe, was schließlich zur Bildung komplexer Organismen wie dem Menschen führt. In der Quantenwelt kann dieser Prozess jedoch auch in umgekehrte Richtung laufen: Dann führen Wechselwirkungen zwischen zwei komplexen Systemen zur Entstehung einfacherer Objekte.
Quantenzauber: Quantenmagnete in zwei Hälften zerteilen
Alle Elementarteilchen haben einen "Spin", eine grundlegende Eigenschaft, die ihre Wechselwirkung mit Magnetfeldern bestimmt. Spins sind quantisiert, das heißt, sie können nur diskrete Werte annehmen. Elektronen haben den kleinstmöglichen Spin, der zwei diskrete Werte annehmen kann, während die nächst einfacheren Systeme solche sind, deren Spin drei diskrete Werte annimmt – diese werden als «Spin ½» bzw. «Spin 1» bezeichnet. In den 1980er Jahren sagte der spätere Nobelpreisträger F.D.M. Haldane voraus, dass eine Kette von aneinandergereihten Spin-1-Bausteinen «fraktioniert» sein sollte, so dass sich die letzten Einheiten der Kette wie Spin-½-Objekte verhalten. Ähnlich wie ein Zauberer, der eine Person in zwei Hälften sägt und sie dann auseinanderschiebt, teilen also Quantenkorrelationen in der Kette einen Spin 1 in zwei Spin-½-Einheiten.
Eindimensionale Magnetketten aus Molekülen zusammengebaut
Diese Vorhersage im Labor zu testen, war aus verschiedenen Gründen schwierig, vor allem, weil herkömmliche Materialien nicht eindimensional sind. Indirekte Beweise für die Spinfraktionierung wurden zwar in Kristallen aus metallorganischen Verbindungen gefunden, die solche Spin-Ketten enthalten, aber eine direkte Beobachtung des Phänomens war nicht möglich.
Nun hat ein internationales Forscherteam einen bemerkenswerten Weg gefunden, den Beweis für Haldanes fast 40 Jahre alte Theorie zu erbringen. Mittels einer Kombination organischer Chemie und Oberflächenchemie im Ultrahochvakuum hat das Team eindimensionale Spin-Ketten aus Kohlenstoff fabriziert. Als Baustein diente ein dreieckiges aromatisches Kohlenwasserstoffmolekül mit Spin 1, bekannt als Triangulen. Die Triangulen-Moleküle wurden im Ultrahochvakuum erhitzt und verbinden sich so zu ausgedehnten Molekülketten. Mit Hilfe eines Rastertunnelmikroskops untersuchte das Empa-Team um Roman Fasel, Pascal Ruffieux und Shantanu Mishra dann die magnetischen Anregungen dieser Ketten auf einer Goldoberfläche. Sie beobachteten, dass die jeweils äussersten Kettenglieder der Triangulen-Ketten sogenannte Kondo-Resonanzen aufwiesen – ein charakteristischer spektroskopischer Fingerabdruck von Spin-½-Quantenobjekten in Kontakt mit einer Metalloberfläche.
Von der Kette zum Netzwerk – und zum Quantencomputer?
Die Forscher sind überzeugt, dass leicht und direkt zugängliche molekulare Spinsysteme mit stark korrelierten Elektronen eine fruchtbare experimentelle Umgebung für die Entwicklung und Überprüfung neuer theoretischer Konzepte bieten werden. Nebst der Erforschung linearer Spinketten haben die Wissenschaftler vor allem auch zweidimensionale Netzwerke von Quantenmagneten im Fokus. Solche Spin-Netzwerke sind eine vielversprechende Materialplattform für das Quantum Computing.
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