Jeder Tumor ist einzigartig wie ein Fingerabdruck. Diese Erkenntnis hat sich in den vergangenen Jahrzehnten durchgesetzt und bedeutet, dass nicht das vom Tumor betroffene Organ darüber entscheidet, wie er erfolgreich behandelt werden kann, sondern spezifische Eigenschaften im Tumorzellkern. Diese Eigenschaften lassen sich mit Hilfe der molekularen Diagnostik entschlüsseln. Bei einem LinkedIn Live Event von Bayer mit Wissenschaftlern, Ärzten und Patientenvertretern betonten die Experten daher den hohen Stellenwert der molekularen Diagnostik in der Krebstherapie. Sie ermöglicht Patienten eine optimierte Krebstherapie, die in vielen Fällen nachweislich den Krankheitsverlauf verändert hat.(1)
Analyse des Erbguts des Tumors
Um die Eigenschaften eines Tumors zu verstehen, reicht es nicht aus festzustellen, ob es sich um Brustkrebs, Prostatakrebs oder Lungenkrebs handelt. Fachärzte sind heute in der Lage, nicht nur die Eigenschaften des Tumorgewebes, sondern auch das Erbgut des Tumors zu untersuchen. Dafür ist eine molekulare Diagnostik notwendig, die analysiert, ob im Erbgut des Tumors eine krebsauslösende Veränderung zu finden ist. Bei mehr als einem Drittel der Patienten, die molekular diagnostiziert werden, können genetische Veränderungen nachgewiesen werden, für die passende Therapien verfügbar sind.(2)
Präzisionsonkologie für bessere Wirksamkeit und weniger Nebenwirkungen
Ein noch junges Prinzip, das sich in der Krebsbehandlung entwickelt hat, heißt Präzisionsonkologie. Im Unterschied zu Standardtherapien, wie zum Beispiel der Chemotherapie, setzen präzisionsonkologische Therapien spezifisch und meist sehr selektiv an der genetischen Veränderung bzw. am jeweiligen Genprodukt an, das zur Tumorentstehung und zum Tumorwachstum führt. Die hohe Selektivität und Spezifität bringen zwei Vorteile mit sich – eine bessere Wirksamkeit und weniger Nebenwirkungen. Patienten, bei denen eine behandelbare genetische Veränderung gefunden wird, haben so die Chance auf Chronifizierung ihrer Krebserkrankung bei guter Lebensqualität.
Früh und breit molekular testen
Aktuell ist die molekulare Diagnostik noch nicht in der Routineversorgung angekommen. Damit mehr Krebspatienten von präzisionsonkologischen Therapien profitieren können, ist es notwendig, früher, d.h. nach Ausschöpfen kurativer Therapien, und breiter molekular zu testen. „Bayer setzt sich dafür ein, das Leben von Krebspatienten und den Verlauf ihrer Erkrankung substanziell zu verbessern, in dem das Potential innovativer Diagnostik und Therapie ausgeschöpft wird“, sagt Dr. Franz Böhme, Leiter Medizin Onkologie/Hämatologie bei Bayer Vital.
Ärzte und Patientenvertreter fordern daher beim LinkedIn Live Event, bei allen Patienten mit Organ-bezogenen, sogenannten soliden Tumoren, möglichst früh, nach Ausschöpfen kurativer Therapien molekular zu diagnostizieren. Bei Patienten mit seltenen Tumorarten, bei denen häufig genomische Veränderungen gefunden werden, soll bereits vor Beginn der ersten medikamentösen Therapie molekular getestet werden. Zu diesen seltenen Tumorarten gehören zum Beispiel sekretorischer Brustkrebs, Gallengangskrebs, Speicheldrüsenkrebs, Schilddrüsenkrebs und Krebs bei Kindern.
„Auch bei verschiedenen Formen von fortgeschrittenem Lungenkrebs sind zahlreiche behandelbare genomische Veränderungen bekannt, so dass Leitlinien die molekulare Diagnostik für diese Patienten ebenfalls vor der ersten medikamentösen Therapie empfehlen“,(3) so Prof. Dr. Dr. Sonja Loges, Ärztliche Direktorin der Abteilung für personalisierte Onkologie am Universitätsklinikum Mannheim, Leiterin der Abteilung Personalisierte Medizinische Onkologie am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg sowie Sprecherin der AG Molekulare und Translationale Onkologie der Arbeitsgemeinschaft Internistische Onkologie (AIO). Wie Patienten davon profitieren können, berichtet Kerstin, die mit 30 Jahren die Diagnose Lungenkrebs bekam. „Da bricht eine Welt zusammen“, sagt sie. Bei ihr war die molekulare Diagnostik der Schlüssel zur Präzisionsonkologie und erfolgreichen Behandlung. Heute geht es ihr gut. „Ich kann wieder alles machen, was ich machen möchte. Ich bin einfach nur glücklich und dankbar, dass das alles so funktioniert hat. Und ich möchte anderen Krebspatienten Mut machen, hartnäckig zu sein, nicht aufzugeben und eine molekulare Testung einzufordern.“
Molekulare Diagnostik voranbringen durch Aufklärung, Fortbildung und Vernetzung
Prof. Dr. Christof von Kalle, Vorsitzender am Berlin Institute of Health und Direktor des klinischen Studienzentrums, unterstützt die Forderung, bei mehr Krebspatienten molekular zu diagnostizieren. „Die molekulare Diagnostik ist eine der Grundvoraussetzungen für eine individualisierte Krebstherapie“, so Prof. von Kalle. „Für Krebspatienten sollte in der Diagnostik ‚jeder Stein umgedreht werden‘. Jeder Patient, der beispielsweise chirurgisch nicht ausreichend behandelt werden kann, sollte molekular getestet werden.“ Für Dr. Bettina Ryll, Mitglied des „Horizon Europe Cancer Mission Board“ der Europäischen Kommission und Vertreterin von Patienteninteressen, ist die Weiterentwicklung in der Diagnostik essenziell: „Krebs ist keine homogene Erkrankung, sondern Krebs ist von Patient zu Patient unterschiedlich und selbst verschiedene Tumore des gleichen Patienten können extrem unterschiedlich sein. Je besser wir Tumore verstehen und angemessen in der Diagnostik abbilden können, umso höher sind unsere Chancen, Therapien anzupassen und damit potenziell Therapieerfolge zu steigern. Mit zunehmender Personalisierung von Therapien wird die systematische Erfassung und unabhängige Auswertung von Gesundheitsdaten immer wichtiger, um sicherzustellen, dass diese auch in der Tat zu verlängertem Überleben und besserer Lebensqualität für Patienten führen. Und allen Klagen zum Trotz – es gab noch nie besser informierte Patientengenerationen. Patienten erwarten heute Therapieansätze, die auf bestmögliche Ergebnisse für den Einzelnen und nicht nur auf Mittelwerte einer Gruppe abzielen“, so Dr. Ryll. „Damit auch Ärzte in der Präzisionsonkologie auf dem aktuellen Wissensstand sind, ist eine kontinuierliche Fortbildung aller beteiligten Fachgruppen und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit auf Augenhöhe essenziell“, betont Prof. Loges. Zudem ist eine Vernetzung von Krebszentren, niedergelassenen Onkologen und Pathologen nötig, um die Diagnostik und Therapie von Tumorerkrankungen zu verbessern. An einigen Zentren in Deutschland wurden bereits in den vergangenen Jahren so genannte molekulare Tumorboards etabliert, bestehend aus Spezialisten verschiedener Fachbereiche mit besonderer Expertise in der Interpretation molekulardiagnostischer Befunde. Sie entwickeln auf Basis dieser Interpretationen individuelle Therapieempfehlungen für die Patienten.
Engagement von Bayer als offizieller Unterstützer der Nationalen Dekade gegen Krebs
Bayer setzt sich dafür ein, die Bedeutung der Präzisionsonkologie und molekularen Testung in der Onkologie zu stärken und unterstützt den Dialog mit allen relevanten Akteuren, damit in Deutschland Tumorerkrankungen frühzeitig diagnostiziert und Patienten so der besten verfügbaren Tumortherapie zugeführt werden. „Wir haben ein ganzes Bündel an Aktivitäten für die unterschiedlichen Zielgruppen umgesetzt. Mit der Website www.testedeinentumor.de wurde beispielsweise eine Informations-Plattform speziell für Patienten geschaffen, bei der auch Patientenorganisationen von Anfang an einbezogen wurden“, erläutert Dr. Böhme. Die Website umfasst verschiedene Informationsmaterialien, zum Beispiel über den Ablauf der molekularen Diagnostik, den Unterschied zwischen molekularer Diagnostik und Gentests sowie einen Gesprächsleitfaden für das Arzt-Patienten-Gespräch. Das Angebot soll Krebspatienten ermutigen, sich ein genaues Bild über ihre Krebserkrankung zu machen.
(1) Solomon et al. Journal of Clinical Oncology 2018; 36(22)
(2) Massard C, Michiels S, Ferte C, et al. High-throughput genomics and clinical outcome in hard-to-treat advanced cancers: results of the MOSCATO 01 trial. Cancer Discov. 2017;7(6):586-595
(3) https://www.esmo.org/guidelines/lung-and-chest-tumours/clinical-practice-living-guidelines-metastatic-non-small-cell-lung-cancer/consensus-guidelines-pathology-and-molecular-biomarkers-for-non-small-cell-lung-cancer
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