
„Augen“ für das autonome Fahrzeug der Zukunft
Eine notwendige Voraussetzung für autonomes Fahren ist, dass das Fahrzeug seine Umgebung vollständig und präzise erkennt. Nur so kann es die Verkehrssituation „verstehen“ und die optimale, sichere Route wählen. Die Sichtfelder von Fahrzeugen sind jedoch begrenzt, was bei einem hohen Automatisierungsgrad des Verkehrs und in komplexen Gelände- und Fahrsituationen besonders kritisch ist. Gleich zwei Exponate der TU Ilmenau auf der Hannover Messe präsentieren Lösungen für diese Herausforderung, indem sie dem autonomen Fahrzeug der Zukunft „Augen“ geben: Eine Drohne, die als externe Sensorplattform und Assistent für Fahrzeuge in unwegsamem Gelände dient, und eine KI-gestützte Wahrnehmungssoftware für autonome Roboter, die sich auf Gehwegen bewegen.
Sind autonome Fahrzeuge offroad, beispielsweise auf Baustellen, in der Landwirtschaft oder in gänzlich unbekanntem Terrain unterwegs, ist es besonders wichtig für sie, rechtzeitig präzise Informationen über die Geländesituation zu erhalten: Wo befinden sich Hindernisse? Wie ist die Straßenoberfläche beschaffen? Ist die Straßenoberfläche verschlammt oder vereist? Um all diese Parameter auf der Fahrbahn vor dem Fahrzeug zu ermitteln, hat ein Forschungsteam der Fachgebiete System- und Software-Engineering sowie Regelungstechnik ein patentiertes drohnengestütztes Verfahren entwickelt.
Eine mit Lidar-Sensoren und einem Computer ausgestattete Drohne fliegt in einer konstanten Höhe vor dem Fahrzeug her und erkennt Hindernisse im Fahrweg, misst das Fahrbahnprofil und übermittelt diese Informationen in Echtzeit an das Fahrzeug. So kann das Fahrzeug Hindernissen rechtzeitig ausweichen, seine Federung oder das Antiblockiersystem an die sich verändernden Straßenverhältnisse anpassen und entspreched bremsen oder beschleunigen.
Entwickelt wurde das Verfahren an der Fakultät Informatik und Automatisierung der TU Ilmenau von einem Forschungsteam der Arbeitsgruppe Smart Vehicle Systems um Viktar und Aleksandra Beliautsou: „Eingesetzt werden könnte die Drohne zum Beispiel als Assistent für Rettungs- oder Katastrophenschutzfahrzeuge. Je nach Gelände und Umfang der Mission ist es möglich, die Nutzlast der Drohne durch weitere Kameras, Sensoren oder Messgeräte zu variieren, mit Hilfe mathematischer Modellierung die notwendige Akkulaufzeit und -größe der Drohne zu berechnen oder auch mehrere Drohnen gleichzeitig einzusetzen.“
Ebenfalls auf der Hannover Messe präsentiert wird eine patentierte Lösung für das autonome Fahren der Zukunft: eine KI-gestützte Wahrnehmungssoftware für autonome Roboter, die auf Gehwegen unterwegs sind. Die Software, die auf einer eigenen Entwicklung eines Algorithmus‘ basiert, fungiert dabei als zentrales Wahrnehmungs- und Steuerungssystem, das die Verkehrssituation und die Umgebung präzise erfasst und so dem Roboter sowohl proaktives als auch reaktives Verhalten ermöglicht.
Qais Yousef, der das neue Verfahren gemeinsam mit Prof. Pu Li, Leiter des Fachgebiets Prozessoptimierung, entwickelt hat, erklärt den großen Vorteil gegenüber vergleichbaren Systemen: „Während diese mithilfe von Mustererkennung lediglich die Bewegung der Fußgänger analysieren, liest unser System auch deren Gesichtsausdruck und kann so in Echtzeit die Absichten der Fußgänger vorhersagen. So kann der Roboter frühzeitig seine Route ändern, ohne kurzfristig bremsen zu müssen.“
Neu ist außerdem die Fähigkeit der Software, auch das Umfeld frühzeitig zu erkennen und den Roboter entsprechend zu steuern: „Wir geben dem Roboter Augen: Mithilfe einer 2D-Kamera kann unsere Software die gesamte Umgebung – die Beschaffenheit des Gehwegs, die Wettersituation oder unterschiedliche Lichtverhältnisse – analysieren, verstehen und entsprechend darauf reagieren – und das dank digitalem Zoom schon aus der Ferne.“
Schon jetzt ist die Software außerdem darauf vorbereitet, mit Ampeln zu kommunizieren und auch Aussagen über den Grad der Sicherheit der Prognosen der KI zu treffen. Dies gewährleistet eine sichere und effiziente Navigation zwischen Fußgängern und ermöglicht dem Roboter, seine Aufgaben schneller und auf optimierten Routen zu erledigen. Eingesetzt werden kann die Software beispielsweise für Lieferroboter, Roboter zur Gehwegreinigung oder Assistenzroboter für sehbehinderte Menschen.
Leistungsfähige und energieeffiziente Mobilfunknetze für die Industrie
Eine wesentliche Voraussetzung für das autonome, vernetzte Fahren, aber auch für automatisierte und effiziente Produktionsabläufe ist ein leistungsstarkes, stabiles Mobilfunknetz. Daher stellt die TU Ilmenau auf der diesjährigen Hannover Messe auch wegweisende Innovationen für energieeffiziente und intelligente private Mobilfunknetze, sogenannte Campusnetze, vor. Auf die individuellen Bedürfnisse der Nutzer zugeschnitten, werden sie eine zentrale Rolle bei der Einführung des zukünftigen Mobilfunkstandards 6G spielen.
So haben Wissenschaftler um Prof. Andreas Mitschele-Thiel, Leiter des Fachgebiets Integrierte Kommunikationssysteme, im Rahmen des Projekts 6GCI ein 5G+-Campusnetz konzipiert, das als Forschungsplattform für autonome Systeme, industrielle Automatisierung und Augmented Reality-Anwendungen dient. Dabei ermöglichen intelligente Netzwerktechnologien wie das Intent-Based Networking eine intuitive und automatisierte Netzsteuerung. Netzbetreiber können ihre Anforderungen als „intents“, also in natürlicher Sprache formulieren. Das System setzt diese automatisch um, überwacht die Leistung und passt sich selbstständig an. In Kombination mit dem offenen Funkzugangsnetz ORAN (Open Radio Access Networks), das herstellerunabhängige, standardisierte Netzarchitekturen fördert und eine Schlüsselrolle in zukünftigen 6G-Netzen spielen wird, können Betreiber neue Mobilfunktechnologien nahtlos integrieren, ohne von der zunehmenden Systemkomplexität ausgebremst zu werden. Das ermöglicht leistungsfähige und flexible Netzwerke für unterschiedlichste Anwendungen in der Industrie.
Gleichzeitig wurde auch der Energieverbrauch der Netze mithilfe der Energy Saving (ES)-xApp/rApp optimiert. Funkzugangsnetze verbinden mobile Endgeräte wie Smartphones, Autos und vernetzte Geräte in der Industrie mit dem Kernnetz und machen über zwei Drittel des Energieverbrauchs von Mobilfunkbasisstationen aus. Die innovative Softwareanwendung ermöglicht einen energieeffizienten Betrieb von ORAN-basierten 5G-Campusnetzen. Mithilfe von KI und Machine Learning analysiert und steuert sie den Netzbetrieb in Echtzeit, passt Netzwerkelemente gezielt an oder schaltet diese ab, ohne dabei die Dienstqualität zu beeinträchtigen.
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