DCRN-Studie 2023: Droht das Ende des stationären Handels?

Einmal pro Jahr führt das Institut ibi research an der Universität Regensburg als Träger und Initiator des Digital Commerce Research Network (DCRN) eine Studie zur Zukunft des Handels durch. Dabei werden aktuelle Marktentwicklungen sowie Trends fundiert analysiert und so der Handel bei seinen Entscheidungen unterstützt. atriga ist Partner des DCRN. Bei der diesjährigen Befragung steht das Konsumentenverhalten zwischen Konsum und Nachhaltigkeit im Fokus. Wir haben mit dem Leiter der Studie, Nils Deichner von ibi research, über die Ergebnisse gesprochen.

Herr Deichner, was sind für Sie die überraschendsten Erkenntnisse aus der aktuellen DCRN-Studie?

Am meisten hat mich überrascht, dass sich das Konsumverhalten in den verschiedenen Generationen, also vom Babyboomer bis zur Generation Z, nicht so stark voneinander unterscheidet, wie vielleicht anzunehmen wäre. Dass die Babyboomer, also die Jahrgänge von 1950 bis 1964, nicht so stark in den sozialen Medien vertreten ist, überrascht hingegen nicht. Dafür hat sie die niedrigsten Retourenquoten aller Generationen, die Generation Z die höchste.

Was uns noch besonderes aufgefallen ist, sind die Widersprüche innerhalb der Gruppe der Babyboomer. Das Konsumverhalten variiert hier sehr stark, diese Generation ergibt kein homogenes Bild, im Gegensatz zu den Generationen X und Y. Die Generation Z, also die Jahrgänge 1995 bis 2009, springt hier wieder aus der Reihe.

Wie passen die neuen Billiganbieter aus China wie Temu & SHEIN und der Wunsch nach Nachhaltigkeit dann überhaupt zusammen?

Beim Thema Nachhaltigkeit gibt es zwei Lager, wobei sich über alle Generationen hinweg eine Bereitschaft entwickelt hat, das eigene Verhalten im Sinne eines nachhaltigen Handelns zu verändern. Auf der anderen Seite bestellt gerade die Generation X, also die Jahrgänge von 1965 bis 1979, und die Generation Y mit den Jahrgängen 1980 bis 1994, sehr gerne bei Temu oder SHEIN. Nachhaltiges Verhalten scheitert einfach oft am Geld, denn die Produkte sind im Durchschnitt teurer und so wird nachhaltiger Konsum zu einem Verzichtsthema, weil man es sich eben leisten können muss.

Wie erklären Sie sich den Erfolg des Trendthemas D2C, also den Online-Direktverkauf vom Anbieter an den Konsumenten?

Wenn Hersteller den Konsumenten direkt adressieren, also ohne Zwischenhandel und Plattformen, sparen sie Kosten. Zudem haben sie den direkten Kontakt zum Käufer und verfügen über seine Daten. Damit steuern sie das Konsumerlebnis über die gesamte Customer Journey hinweg. Das stärkt auch die Identifikation mit der Marke. Käufer wiederum profitieren von den frühzeitigen Infos zu neuen Produkten, Angeboten und Rabatten und bekommen Einblick in das Unternehmen. Auch hier ist die Generation Z ganz weit vorne: Sie folgt ihren Lieblingsbrands in den sozialen Medien und lässt sich darüber auch zum Kauf animieren.

Thema Social Commerce: Welche Rolle spielen heute die sozialen Medien in der Gesamtbetrachtung?

Mehr als drei Viertel der Befragten nutzen zum Beispiel Instagram täglich oder mehrmals täglich. Sie teilen dort Beiträge, folgen Influencern und Prominenten, Marken, Herstellern und Händlern.  Auch wenn sich die Generationen bezüglich der zukünftigen Bedeutung der verschiedenen sozialen Medien uneins sind, bieten sich in diesem Bereich zahlreiche Ansatzpunkte für Händler:innen. Vor allem intelligentes Influenzer Marketing ist ein zunehmender Erfolgsfaktor.

Werfen wir einen Blick in die die Zukunft des stationären Handels: Laut Ihrer Studie kaufen inzwischen 40 Prozent der Konsument:innen bevorzugt online ein, der Anteil der traditionellen Ladenkäufer:innen hat sich in den letzten 10 Jahren mehr als halbiert. Wie wird das enden?

Aus meiner Sicht werden die Wachstumsraten des Online-Umsatzes weiter zurückgehen und wir nähern uns langsam einem Sättigungsniveau. Der stationäre Handel kann dort Punkte gutmachen, wo Einkaufen im Laden wieder zu einem Erlebnis wird. Dazu gehört dann auch ein wenig Entertainment und Show durch neuartige Ladenkonzepte. Zu guter Letzt geht es für alle Beteiligten darum, die Innenstädte wieder attraktiver zu machen, dann hat auch der stationäre Handel eine Zukunft.

Laut Ihrer Studie sind die Rahmenbedingungen für Handelsunternehmen weiterhin herausfordernd. Wagen Sie einen Blick in die Glaskugel?

Das wäre vermessen, denn weder die Corona-Pandemie noch die aktuellen Konflikte konnte man vorhersehen. Ebenso wenig die damit einhergehenden Konsequenzen, zum Beispiel im Bereich der Energiekosten. Und niemand konnte prognostizieren, dass das Zinsniveau wieder so schnell und so rasant ansteigt. Ich kenne als Volkswirt viele wichtige Wirtschaftstheorien, aber ein Blick in die Zukunft ist heutzutage kaum noch möglich. Aus persönlicher Sicht ist mir die Stimmung im Land ein wenig zu pessimistisch, hier würde ich mir ein gesünderes Gleichgewicht wünschen, um die kommenden Herausforderungen meistern zu können.

Herr Deichner, vielen Dank für das Gespräch!

Kostenloser Download der aktuellen DCRN-Studie „Kundenverhalten zwischen Social Commerce und Nachhaltigkeit“ unter
https://ibi.de/veroeffentlichungen/2023/kundenverhalten-zwischen-social-commerce-und-nachhaltigkeit

Über den Gesprächspartner
Seit Oktober 2018 ist der studierte Volkswirt Nils Deichner bei der ibi research an der Universität Regensburg GmbH tätig. Die Forschungs- und Beratungsschwerpunkte von Nils Deichner liegen in den Bereichen E-Commerce und Digitaler Handel, Zahlungsverkehr sowie der elektronischen Rechnungsabwicklung. Zu diesen Themenschwerpunkten tritt er regelmäßig als Referent auf Veranstaltungen auf und veröffentlicht Fachartikel und Studien.

Über das DCRN
Das Institut ibi research an der Universität Regensburg ist Träger und Initiator des  Digital Commerce Research Network (DCRN). Das Netzwerk verfolgt das Ziel, Händler:innen, Hersteller und Dienstleister aus dem Handelsumfeld zusammenzubringen, gemeinsam mit Wissenschaft und Forschung Lösungen rund um die Chancen und Risiken der digitalen Transformation im Handel zu erarbeiten, neue Technologien und Entwicklungen zu bewerten und somit allen Akteuren in der Handelsbranche fundierte Entscheidungsgrundlagen zu bieten: www.ibi.de/netzwerk/DCRN

Über die atriga GmbH

Als Vorreiter im kundenfreundlichen und digitalen Forderungsmanagement B2B/B2C unterstützt die konzernunabhängige atriga zusammen mit weiteren Gesellschaften der Gruppe weltweit mehr als 25.000 Mandanten. Die unternehmenseigene IT-Forschungs- und Entwicklungsabteilung steht für wegweisende Innovation und führt Konzerne und Unternehmen aller Größen und Branchen ‚TOTAL DIGITAL‘ ins 21. Jahrhundert.

International tätige Konzerne und Unternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen (z. B. Assekuranz, Banken, E-Commerce, Gesundheitswesen, Immobilien, Logistik, öffentlicher Personen(nah)verkehr, Payment, Telekommunikation, Verlage, Versandhandel, Versorger) schätzen die umfassende Expertise der atriga, insbesondere in den Bereichen Forderungsmanagement, Inkasso, Recht, Softwareentwicklung und Datenschutz.

atriga ist Vertragspartner der SCHUFA und der meisten Auskunfteien, Mitglied im Bundesverband Credit Management e.V. (BvCM), im Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. (BDIU), in der Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherheit e.V. (GDD) und im Bundesverband der Dienstleister für Online Anbieter e.V. (BDOA).

atriga ist Gründungsmitglied des E-Commerce-Leitfadens des Institutes ibi research an der Universität Regensburg.

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