Restgase besser nutzen

Die Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) verleiht den Dres.-Volker-und-Elke-Münch-Preis an die Teams um Professor Dr. Sebastian Hasenstab-Riedel und Professor Dr. Rainer Haag von der Freien Universität Berlin. Der Preis der bei der GDCh angesiedelten gleichnamigen Stiftung ist mit 7000 Euro dotiert und wird an Erfinderinnen und Erfinder verliehen, die eine zukunftsweisende Erfindung auf dem Gebiet der Chemie oder chemischen Verfahrenstechnik gemacht haben. Mit dem Preisgeld wird eine Patentanmeldung unterstützt. Die Forschungsteams der FU Berlin entwickelten ein ressourcensparendes und umweltfreundliches Verfahren, um Chlor aus einem chlorhaltigen Restgasstrom zu adsorbieren. Sie erhalten die Auszeichnung im Rahmen des JCF-Frühjahrssymposiums vom 13. bis 16. März 2024 in Ulm. 

Chlor ist eine der wichtigsten Grundchemikalien der chemischen Industrie. Etwa 50 Prozent aller industriellen Chemikalien, 30 Prozent aller Agrochemikalien und 20 Prozent aller Arzneimittel benötigen für die Herstellung Chlor. Im Jahr 2022 wurden weltweit etwa 96 Millionen Tonnen Chlor (primär durch Chloralkalielektrolyse) produziert. Die Gewinnung von Chlor zählt zu den energieintensivsten Verfahren der chemischen Industrie. Allein in Deutschland erfordert die Chlorproduktion mit 12 Millionen Megawattstunden etwa 2,3 Prozent der elektrischen Energie, die in Deutschland produziert wird.

Hier setzt die Erfindung der FU-Forscher an, mit der elementares Chlor mit Hilfe von Polymeren reversibel adsorbiert wird und damit eine selektive Chlorspeicherung ermöglicht. Die entwickelten polymerbasierten Chloradsorber bieten ein großes Potential zur sicheren und einfachen Adsorption, Speicherung und Umsetzung von Chlorgas aus z.B. Restgasströmen. Zukünftig könnte die Chlorproduktion durch das Verfahren effizienter, umweltfreundlicher und ressourcensparender werden. Auch andere mögliche Anwendungen haben die Wissenschaftler derzeit im Blick. 

Sebastian Hasenstab-Riedel leitet die Arbeitsgruppe Halogenchemie an der Freien Universität Berlin. Seit 2019 ist Hasenstab-Riedel Sprecher des Sonderforschungsbereichs 1349 „Fluor-Spezifische Wechselwirkungen“. Seit 2001 ist er aktives GDCh-Mitglied und derzeit unter anderem im Vorstand der AG Fluorchemie sowie der Wöhler-Vereinigung für Anorganische Chemie der GDCh aktiv. Für seine Forschung wurde er bereits mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. So erhielt Hasenstab-Riedel beispielsweise 2019 einen Consolidator Grant des European Research Council und hat seit 2021 eine Einstein-Professur der Einstein Stiftung Berlin inne. 2023 erhielt er den Christel und Herbert W. Roesky-Preis der GDCh und sein Projekt ChemSysCon wurde mit dem Forschungspreis der Werner Siemens-Stiftung ausgezeichnet.

Rainer Haag ist Professor für Organische und Makromolekulare Chemie an der Freien Universität Berlin. Seine Forschungsschwerpunkte sind biologisch abbaubare und nachhaltige Polymersysteme, multivalente Makromoleküle und supramolekulare Architekturen. Er ist seit 1990 Mitglied der GDCh und dort unter anderem in der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Universitätsprofessoren und -professorinnen für Chemie (ADUC) aktiv. So war er beispielsweise Chair der Chemiedozententagung 2013 sowie an der Programmgestaltung des Jubiläums-Wissenschaftsforum Chemie (WiFo) der GDCh im Jahr 2017 beteiligt. Haag ist seit 2021 Sprecher des Sonderforschungsbereichs 1449 "Dynamische Hydrogele an biologischen Grenzflächen" und des interdisziplinären Forschungsgebäudes "SupraFAB". Seit 2019 ist er gewähltes Mitglied der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech). Im Jahr 2022 wurde er mit dem renommierten ERC Advanced Grant für das Projekt „SupraVir“ ausgezeichnet und 2023 in die European Academy of Sciences aufgenommen. 

Merlin Kleoff studierte von 2012 bis 2018 Chemie an der Freien Universität Berlin. 2021 promovierte er in der Gruppe von Professor Dr. Philipp Heretsch (FU Berlin) über die Entwicklung von Durchflussreaktoren zur Naturstoffsynthese. Seit 2021 arbeitet er in der Gruppe von Professor Dr. Sebastian Hasenstab-Riedel an neuen Technologien und Synthesemethoden unter Verwendung der Chlorchemie. 

Olaf Wagner promovierte 2015 an der FU Berlin bei Professor Dr. Rainer Haag auf dem Gebiet der Polymerchemie und forschte in dieser Zeit an Selbstanordnungsprozessen amphiphiler Strukturen. Von 2016 bis 2020 forschte er als Postdoc an 2D-Materialien & Polymer-funktionalisierten Oberflächen zur Anwendung in Adsorptionsprozessen. Seit 2021 leitet er Forschungen zu Adsorptionsprozessen an funktionalisierten Biopolymeren und entwickelt nachhaltige Technologien zu Keim- und Schadstoffreduktion in Wasser.

Alejandro Jose Lorente Sánchez ist Post-Doc auf dem Gebiet der Polymerwissenschaften und der organischen Synthese an der FU Berlin. Er promovierte an der Universität Potsdam in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung (IAP). Seine Forschungsarbeiten konzentrierten sich auf die Entwicklung von molekularen Sensoren, halbleitenden Polymeren und adsorbierenden Materialien. Er arbeitet an mehreren Forschungsprojekten, die sich auf die Entwicklung poröser Materialien aus Polymeren und Biopolymeren konzentrieren, die bei der Adsorption von Schadstoffen oder Gasen Anwendung finden.

Über den Gesellschaft Deutscher Chemiker e.V.

Die Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) ist mit rund 30 000 Mitgliedern eine der größten chemiewissenschaftlichen Gesellschaften weltweit. Sie hat 27 Fachgruppen sowie 60 Ortsverbände und Regionalforen des JungChemikerForums (JCF). Die GDCh fördert die wissenschaftliche Arbeit sowie den Austausch und die Verbreitung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse. Sie unterhält zahlreiche Stiftungen, so die Dres.-Volker-und-Elke-Münch-Stiftung, die das Stifterehepaar, Dr. rer. nat Volker Münch und Dr. paed. Elke Münch, im Jahr 2021 gründete, um Wissenschaft und Forschung und den patentrechtlichen Schutz der Ergebnisse zu fördern.

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