Lesen Sie in Teil 1 unter anderem, warum Smart Contracts ein unverzichtbarer Teil der gesamten Tokenisierungs-Kette sind und wo der potentielle Nutzen dieser Finanztechnologie liegt.
Herr Prof. Penzel, was verbirgt sich hinter dieser Tokenisierung und was hat das mit Blockchain, Kryptowerten und Smart Contracts zu tun?
Um mit einem Bild zu beginnen: Dieser 10 Euro-Schein aus meinem Portemonnaie ist unsere analoge Währung, mit der ich mir eine Ware oder Dienstleistung kaufen kann – und jeder akzeptiert sie. Die digitale Variante wäre ein Bild dieses Geldscheins auf meinem Smartphone, das ich einfach weiterleiten kann, um damit etwas zu bezahlen. Tokens sind solche digitalen Objekte, die eigenständig einen Wert darstellen. Sie können physische Objekte spiegeln, wie eine Immobilie oder eine Maschine, aber eben auch rein digital existieren wie Kryptowährungen, zum Beispiel die USD Coin, Schuldscheine, Wertpapiere oder digitale Kunstwerke. Tokens können erworben, gehalten und auch weitergegeben werden, dies unter Umständen auch auf Marktplätzen oder Börsen. Man kann damit zahlen, spekulieren, den Wert halten oder die Nutzung ermöglichen.
Der wichtige Punkt: Sie werden vom Empfänger akzeptiert, ohne dass eine explizite Rückversicherung bei einer zentralen Stelle notwendig ist. Bei einer normalen Überweisung muss ich ja erst abwarten, ob der Betrag auch tatsächlich auf meinem Konto gebucht wird. Bei Tokens funktioniert das unmittelbar.
Nun haben wir aber noch keinen Vertrag…
Genau. Und hier kommt der Smart Contract ins Spiel, ein unverzichtbarer Teil der gesamten Kette. Denn das bezeichnet die vertraglichen Vereinbarungen zwischen Käufer und Verkäufer, die im Programmcode verankert sind und automatisch zur Ausführung kommen. Diese können im Token selbst oder in darüber liegender Software implementiert sein. Die Kryptowährung Etherum zum Beispiel erlaubt die Implementierung von Smart Contracts im Token selbst, die Bitcoins dagegen nicht. Die ganzen Informationen dieser Bausteine des Decentralized Finance sind in Datenbanken auf Basis der sogenannten Distributed-Ledger-Technologie mit verteilten Verzeichnissen hinterlegt und für alle Akteure transparent, werden zudem zuverlässig repliziert und synchronisiert.
Aber woher kommt der potentielle Nutzen, den die Tokens generieren sollen?
Tokens sind schon jetzt ein natürlicher Teil der digitalen Welt. Sie erlauben die durchgehende Digitalisierung von Prozessen ohne Medienbrüche und können deshalb als Wertspeicher nahezu überall eingesetzt werden, im Metaverse geht es gar nicht ohne. In quantitativen Betrachtungen werden sie als wirtschaftlich hochattraktiv dargestellt, weil Prozesse günstiger, schneller und transparenter werden. Da ist aber noch viel Marketing mit teils überzogenen Aussagen im Spiel, wie es schon am Beispiel eines typischen Wertpapierprozesses zu erkennen ist, den ich im Detail in meinem Vortrag erläutere. Von der Zuordnung des Tokens gemäß Taxonomie und der Klärung des Sourcings über die Strukturierung und Prospekterstellung bis hin zu den weiteren Emissionsaktivitäten sind die Einzelschritte so komplex und vielfältig, dass von der in der Werbung versprochenen 99 Prozent schnelleren Abwicklung aus meiner Sicht nur maximal 35 Prozent übrigbleiben.
Lesen Sie im Teil 2 des Interviews unter anderem, welche Rolle die Regulation auf EU-Ebene spielt und welche Auswirkungen die Tokenisierung auf Banken haben wird.
Über den Gesprächspartner: Prof. Dr. Hans-Gert Penzel, Vorsitzender des Beirats von axytos, lehrt und forscht an der Universität Regensburg. Von 2004 bis 2010 war Penzel Generaldirektor und CIO der Europäischen Zentralbank, von 2010 bis 2019 geschäftsführender Gesellschafter der ibi research an der Universität Regensburg.
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