Die Expertenkommission Forschung und Innovation hat ihr aktuelles Jahresgutachten heute an Bundeskanzler Olaf Scholz übergeben. Die von ihm geführte Bundesregierung steht vor großen Aufgaben. Sie muss die neuen, mit dem Ukrainekrieg verbundenen sicherheitspolitischen Herausforderungen meistern. Die Bewältigung weiterer gesellschaftlicher Herausforderungen, vor allem der großen Transformationen – wie Dekarbonisierung und Digitalisierung –, darf dabei allerdings nicht auf der Strecke bleiben. Doch hier ist die Bundesregierung bis heute, trotz der erst gerade am 8. Februar verabschiedeten Zukunftsstrategie Forschung und Innovation, erstaunlich wenig vorangekommen. So wird in der Zukunftsstrategie zwar ausgeführt, dass es für die Transformationen zahlreicher technologischer und sozialer Innovationen bedarf. Um sie anzustoßen, so wird angedeutet, müssten vielfältige Maßnahmen aus verschiedenen Politikfeldern zusammenwirken. Jedoch zeigen sich die aktuellen innovations- und transformationsbezogenen Fachpolitiken und Strategien der unterschiedlichen Ressorts kaum miteinander verzahnt und abgestimmt. Statt Kooperation zwischen den Bundesministerien scheint nach wie vor das alte Silodenken zu dominieren.
Um hier endlich Fortschritte zu erzielen, bedarf es dringend eines neuen, agilen Politikstils und einer dazu passenden Governance-Struktur. „Auch in der Innovationspolitik ist eine Zeitenwende notwendig! Nur auf diese Weise wird sich in Wirtschaft und Gesellschaft eine Aufbruchsstimmung erzeugen lassen, die für die Umsetzung der Transformationen enorm wichtig ist“, so der Vorsitzende der Expertenkommission, Prof. Dr. Uwe Cantner von der Universität Jena. “Ein Weiter-wie-bisher bei der Politikkoordination kann sich Deutschland weder in zeitlicher noch in finanzieller Hinsicht leisten.“
Zukunftsausschuss einrichten
Die Expertenkommission empfiehlt, als ein Zeichen der innovationspolitischen Zeitenwende einen ständigen Zukunftsausschuss einzurichten.Aufgabe des Ausschusses wäre es, die Ziele zu innovations- sowie transformationsbezogenen Themen abzustimmen sowie einschlägige Strategien – etwa die Zukunftsstrategie Forschung und Innovation, die Digitalstrategie und die Start-up-Strategie – zu koordinieren und festzulegen. „Diese wichtigen Regierungsaufgaben können weder im Rahmen von Kabinettssitzungen noch bei der Ressortabstimmung einzelner Strategien adäquat geleistet werden“, stellt Uwe Cantner fest. Der Zukunftsausschuss sollte im Bundeskanzleramt verankert und vom Chef des Bundeskanzleramtes geleitet werden. Auf diese Weise kommt den Transformationen höchste politische Priorität zu. Dem Ausschuss gehören diejenigen Ministerinnen und Minister als feste Mitglieder an, deren Ressorts am intensivsten mit innovations- und transformationsbezogenen Fragestellungen befasst sind. Andere Ministerinnen und Minister können anlassbezogen hinzugezogen werden. Um eine hohe Verbindlichkeit zu schaffen, sollte der Zukunftsausschuss dem Bundeskabinett sowie dem Deutschen Bundestag regelmäßig und ergebnisorientiert Rechenschaft ablegen. Die im Ausschuss festgelegten Strategien werden an die Ressorts bzw. ressortübergreifende Teams übergeben und dort über Roadmaps, Meilensteine und fortlaufende Evaluationsschleifen in die Umsetzung gebracht.
Die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) mit Sitz in Berlin leistet seit 2008 wissenschaftliche Politikberatung für die Bundesregierung und legt jährlich ein Gutachten zu Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit Deutschlands vor. Wesentliche Aufgabe der EFI ist es dabei, die Stärken und Schwächen des deutschen Innovationssystems im internationalen und zeitlichen Vergleich zu analysieren und die Perspektiven des Forschungsund Innovationsstandorts Deutschland zu bewerten. Auf dieser Basis entwickelt die EFI Vorschläge für die nationale Forschungs- und Innovationspolitik.
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