Norddeutsches Reallabor zieht erste Zwischenbilanz

Im Norddeutschen Reallabor (NRL) arbeitet eine länderübergreifende Energiewende-Allianz aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik seit einem Jahr gemeinsam an konkreten Lösungen für die beschleunigte Transformation des Energiesystems.  Damit soll der Weg zu einer schnellen Defossilisierung aller Sektoren, insbesondere in der Industrie, großflächig erprobt werden. Nun zieht das Projekt eine erste Zwischenbilanz.

Das Norddeutsche Reallabor (NRL) ist ein innovatives Verbundprojekt, das neue Wege zur Klimaneutralität aufzeigt. Dazu werden Produktions- und Lebensbereiche mit besonders hohem Energieverbrauch schrittweise defossilisiert – insbesondere in der Industrie, aber auch in der Wärmeversorgung und dem Mobilitätssektor. Hinter dem im April 2021 gestarteten Projekt steht eine wachsende Energiewende-Allianz mit mehr als 50 Partnern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Gemeinsam arbeiten sie daran, eine sichere und nachhaltige Energieversorgung zu realisieren und damit die Zukunftsfähigkeit des Nordens als Industriestandort zu stärken. Das NRL ist Teil der Förderinitiative „Reallabore der Energiewende“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK).

„Im NRL werden wir innovative Technologien für einen schnellen Ausbau der Sektorenkopplung im Norden einsetzen und damit zeigen, wie eine sichere Versorgung, Klimaneutralität und wirtschaftliches Wachstum vereint werden können. Der Norden als klimaneutrale Industrieregion bietet große Chancen“, so Prof. Dr. Werner Beba, NRL-Projektkoordinator und Leiter Competence Center für Erneuerbare Energien & EnergieEffizienz (CC4E) der HAW Hamburg.

Erfolgreicher Auftakt

25 Teilprojekte sind inzwischen unter dem Dach des Norddeutschen Reallabors gestartet, davon 22 Demonstrationsanlagen, die allesamt bereits zwischen Ende 2023 und Anfang 2025 ihren Betrieb aufnehmen werden. Im Fokus der verschiedenen NRL-Vorhaben steht vor allem die industrielle Transformation – denn durch eine rasche Dekarbonisierung energieintensiver Produktionsprozesse kann die Abkehr von fossilen Energiequellen massiv beschleunigt werden. Die meisten Projekte stellen nicht nur deutschlandweit, sondern auch international echte Innovationen dar. Mit den im Projektraum geplanten Vorhaben können zwischen 350.000 – 500.000 t CO2-Emissionen pro Jahr eingespart werden.

Ein gutes Jahr nach Projektstart haben die Projektvorhaben bereits an Gestalt gewonnen:

  • Für die Erzeugung von grünem Wasserstoff sind im NRL acht Elektrolyseure mit einer Wasserstoff-Erzeugungskapazität von insgesamt 42 MW vorgesehen. Die größte Elektrolyseanlage mit einer Erzeugungskapazität von 25 MW wird im Hamburger Hafen durch die HanseWerk AG realisiert.
  • Im NRL wird erprobt, wie grüner Wasserstoff bzw. dessen Folgeprodukte fossile Energieträger wie Erdgas in komplexen industriellen Prozessen ersetzen können. Zum Beispiel in Bereichen der Kupferherstellung: Erste Versuche des NRL-Partners Aurubis belegen, dass der Einsatz von Wasserstoff statt Erdgas in der Kupferreduktion große Mengen CO2 einsparen kann.
  • Um die Defossilisierung des Wärmesektors voranzutreiben, werden im NRL drei Projekte umgesetzt, die eine Nutzung industrieller Abwärme und deren Speicherung für die (Fern-)Wärmeversorgung in einem Umfang von 700 GWh pro Jahr ermöglichen. Ein Beispiel: Die Hamburger Energiewerke erproben, wie im Sommer nicht benötigte Abwärme (z. B. von Aurubis) in einem unterirdischen Aquiferspeicher für die Heizperiode im Winter gespeichert werden kann. Sowohl in Hamburg als auch deutschlandweit besteht ein großes Potential der Nutzung von Industrieabwärme.
  • Im Mobilitätssektor des NRL werden rund 200 wasserstoffbetriebene Fahrzeuge verschiedener Klassen in unterschiedlichen Nutzungsszenarien erprobt – zum Beispiel als Abfallsammelfahrzeuge der Stadtreinigung Hamburg, als Linienbus der HOCHBAHN oder als Gepäcktransporter für den Hamburger Flughafen. Für ihren Einsatz werden unterschiedliche Betankungskonzepte entwickelt und umgesetzt.
  • Eine Besonderheit des Projekts ist sein gesamtsystemischer Ansatz, der neben den geplanten Erprobungsvorhaben auch Querschnittsthemen berücksichtigt, die sich mit der volkswirtschaftlich-ökonomisch-regulatorischen sowie der gesellschaftlichen Dimension der Energiewende befassen. So wird in Kürze eine begleitende Gesellschaftsstudie veröffentlicht, die die Einstellung der Bevölkerung zur Energiewende und dem Einsatz von Wasserstoff vor dem Hintergrund der aktuellen energiepolitischen Lage erfasst.

Energiewende braucht ein stabiles Fundament

Mit seinem breiten Ansatz liefert das Norddeutsche Reallabor wichtige Bausteine, um die Transformationspfade zur Klimaneutralität unter Realbedingungen zu erproben. Für ein zukunftsfähiges Energiesystem braucht es neben ambitionierten Projektvorhaben aber auch die Unterstützung der Politik:

„Die aktuelle Krise zeigt uns, dass wir den Ausstieg aus fossilen Energien und den Umstieg auf klimaneutrale Technologien noch ambitionierter vorantreiben müssen. Damit sichern wir uns Unabhängigkeit und Zukunftsmärkte. Die Unternehmen brauchen dafür aber ein stabiles Fundament: Anreizsysteme und Sicherheit für privatwirtschaftliche Investitionen, einen adäquaten Marktrahmen durch regulatorische Bedingungen, die neue Technologien nicht benachteiligen, sondern fördern, sowie die Schaffung gesellschaftlichen Rückhalts“, resümiert Beba.

Über NRL – Norddeutsches Reallabor

Das Norddeutsche Reallabor (NRL) ist ein innovatives Verbundprojekt, das neue Wege zur Klimaneutralität aufzeigt. Dazu werden Produktions- und Lebensbereiche mit besonders hohem Energieverbrauch schrittweise defossilisiert – insbesondere in der Industrie, aber auch in der Wärmeversorgung und dem Mobilitätssektor. Hinter dem im April 2021 gestarteten Projekt steht eine wachsende Energiewende-Allianz mit mehr als 50 Partnern aus Wirtschaft, Wis-senschaft und Politik. Das Großprojekt hat eine Laufzeit von fünf Jahren (04/2021-03/2026). Das Investitionsvolumen der beteiligten Partner beträgt 300 Mio. Euro. Das NRL ist Teil der Förderinitiative "Reallabore der Energiewende" und wird mit rund 52 Mio. Euro durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gefördert. Weitere Fördermittel werden durch das BMDV bereitgestellt. Das NRL versteht sich als ausbaufähige Plattform auch für weitere Projekte.

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