Hohe Strahlendosen von über einem Gray, wie sie bei Strahlentherapien eingesetzt werden können, haben bekanntermaßen eine starke Wirkung auf das Immunsystem und können negative gesundheitliche Langzeitfolgen nach sich ziehen. Jedoch reichen offenbar bereits Dosen von 20 – 100 Milligray aus, um geringfügige, aber dauerhafte immunologische Veränderungen auszulösen. Solche Werte können beispielsweise die Folge einer jahrelangen beruflichen Strahlenbelastung sein. Nach jetzigem Kenntnisstand haben diese keine direkten gesundheitlichen Auswirkungen. Ob daraus gesundheitlich negative Langzeitfolgen resultieren können, muss noch untersucht werden.
Ionisierende Strahlung kann technisch erzeugt werden oder natürlich entstehen, wenn bestimmte Atomkerne radioaktiv zerfallen. Neben der natürlichen Strahlung können auf den Menschen Strahlenbelastungen etwa aus medizinischen und technischen Anwendungen einwirken. Auch sind bestimmte Berufsgruppen, wie etwa fliegendes oder medizinisches Personal, Strahlung ausgesetzt.
Je geringer die Dosis, desto größer der Forschungsbedarf
Die Studienauswertung des Forscherteams zeigt unterschiedliche Effekte, jeweils abhängig von der Strahlendosis:
Eine einmalige Ganzkörperdosis unter 100 Milligray könnte die Leistungsfähigkeit des Immunsystems beeinträchtigen und die Alterung des Immunsystems beschleunigen. Aber auch für niedrigere Belastungen wurden länger anhaltende Veränderungen des Immunsystems beobachtet. Nach derzeitigem Kenntnisstand haben diese biologischen Veränderungen aber keinen direkten Einfluss auf die Gesundheit.
Bei Dosen von weniger als 20 Milligray sind weder für akute noch für wiederholte Expositionen gesicherte Aussagen möglich.
Im Gegensatz zu diesen Beobachtungen können Dosen zwischen 100 Milligray und 1 Gray eine entzündungshemmende und schmerzlindernde Wirkung bei lokaler Anwendung haben. Dies ist jedoch nur bei bereits aufgetretenen chronischen Entzündungen der Fall. Deshalb werden diese Dosen etwa bei lokalen Therapien von Gelenkentzündungen angewendet.
Im Vergleich zu geringeren Dosen ist der Zusammenhang zwischen höheren Strahlendosen und dem Immunsystem gut erforscht. Hier wurden ausschließlich negative Auswirkungen beobachtet, beispielsweise eine zeitlich begrenzte Unterdrückung des Immunsystems oder entzündungsfördernde Prozesse. Diese Erkenntnisse beruhen weitgehend auf den Ergebnissen von Strahlentherapiepatienten und den Studien zu den japanischen Atombombenüberlebenden von Hiroshima und Nagasaki.
Offene Fragen zur chronischen Strahlenbelastung
In die aktuelle Bewertung wurden Studien zu unterschiedlichen Expositionsszenarien einbezogen. Zum einen solche, bei denen einmalige aber hohe Strahlenbelastungen untersucht wurden, aber auch Studien zu Bevölkerungsgruppen, die erhöhter natürlicher Strahlung oder Kontaminationen ausgesetzt sind, auch im Beruf. Dabei wurden neben akuten Expositionen auch chronische Strahlenbelastungen berücksichtigt. Experimentelle Studien und klinische Beobachtungen bestätigen den Einfluss geringer, über einen längeren Zeitraum akkumulierter Strahlendosen auf das Immunsystem. Zur besseren Einordnung der Dosen sind typische Dosiswerte auf der Internetseite des BfS zusammengestellt. Dabei entspricht beispielsweise eine effektive Dosis von 100 Millisievert einer einmaligen Ganzkörperbestrahlung mit 100 Milligray Gamma-Strahlung.
In ihrem Resümee bekräftigen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den Bedarf an Forschungsprojekten zu den zugrundeliegenden Mechanismen und daraus resultierender möglicher Langzeiteffekte insbesondere von niedrigeren Strahlenexpositionen. Das würde zur Klärung der Frage beitragen, ob strahleninduzierte immunologische Veränderungen das Auftreten von Herz-Kreislauf- oder Krebserkrankungen begünstigen.
Die Übersichtsarbeit „Low dose radiation effects on the immune system“ wurde in der Zeitschrift „Environment International“ veröffentlicht. Im Editorial, das federführend vom BfS verfasst wurde, wird in die Thematik eingeführt.
Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) arbeitet für den Schutz des Menschen und der Umwelt vor Schäden durch Strahlung. Das BfS informiert die Bevölkerung und berät die Bundesregierung in allen Fragen des Strahlenschutzes. Die über 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bewerten Strahlenrisiken, überwachen die Umweltradioaktivität, unterstützen aktiv im radiologischen Notfallschutz und nehmen hoheitliche Aufgaben wahr, darunter im medizinischen und beruflichen Strahlenschutz. Ultraviolette Strahlung und strahlenrelevante Aspekte der Digitalisierung und Energiewende sind weitere Arbeitsfelder. Als wissenschaftlich-technische Bundesoberbehörde betreibt das BfS Forschung und ist mit nationalen und internationalen Fachleuten vernetzt. Weitere Informationen unter www.bfs.de.
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