In ihrer Veröffentlichung betrachten sie unterschiedliche Standortszenarien und evaluieren unter anderem die Anzahl benötigter Ärzte und Ärztinnen, die Entfernung der Bevölkerung zu den Impfzentren sowie die Anzahl der Standorte.
Impfbereitschaft und Vakzin-Verfügbarkeit essentiell
Impfstoffe sind das Hilfsmittel, um die Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus längerfristig einzudämmen und somit die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Schäden der Pandemie zu begrenzen. Noch in diesem Jahr könnten erste Impfstoffe mit einer vielversprechenden Wirksamkeit zugelassen und zeitnah verabreicht werden. Für eine erfolgreiche Impfkampagne ist jedoch zusätzlich von entscheidender Bedeutung, dass jeder Mensch impfbereit ist und sich möglichst schnell impfen lassen kann.
Daher müssen die Gesundheitsbehörden bereits jetzt Vorbereitungen treffen, um die verfügbaren Impfstoffkapazitäten von Anfang an optimal zu nutzen. Von der Ständigen Impfkommission (STIKO) gibt es bereits Richtlinien, welche Personengruppen angesichts knapper Ressourcen zuerst geimpft werden sollen. »Unser Fokus liegt jedoch auf der logistischen Entscheidung, wo der Impfstoff verabreicht werden soll und wie viel medizinisches Fachpersonal an welchem Standort benötigt wird«, so Dr. Neele Leithäuser vom Fraunhofer ITWM, die gemeinsam mit ihrer Kollegin Johanna Schneider die Standortplanung für Impfzentren optimiert.
Optimierungsproblem mit vielen Variablen
Bei der Wahl möglicher Impfzentren sind viele Aspekte zu berücksichtigen, wie die Kühlung der Impfdosen, die Verfügbarkeit von medizinischem Personal oder auch die Möglichkeit zur Umsetzung erforderlicher Hygienekonzepte. Ein weiterer entscheidender Faktor ist die benötigte Fahrzeit der Menschen von ihrem Wohnort zum Impfzentrum, da laut einer aktuellen COSMO-Studie die Impfbereitschaft mit steigender Fahrzeit deutlich abnimmt. Aufgrund der diversen Kriterien wurden in der Studie von TUK, RKI und ITWM mehrere Standortszenarien mit unterschiedlich vielen Impfzentren diskutiert.
Johanna Scheider erläutert für Deutschland: »Untersucht wurden Impfungen bei Hausärzten:innen, in Gesundheitsämtern, in Universitätskliniken und an frei gewählten Standorten. Unsere Analysemethoden lassen sich aber auch leicht auf weitere Standortszenarien übertragen.«
Kompromiss-Szenario Gesundheitsämter
Eine Impfung beim/ bei der Hausarzt:in, wie es bei anderen Impfungen üblich ist, wäre aufgrund der sehr geringen Fahrzeit die komfortabelste Lösung für die Impflinge. Angesichts der zu erwartenden Knappheit des Impfstoffes, der Impfpriorisierung gefährdeter Personengruppen sowie der kurzer Haltbarkeit angebrochener Impfbehälter birgt ein solches Szenario jedoch die Gefahr von Vergeudung. Zusätzlich ist die erforderliche Kühl-Infrastruktur in den Praxen je nach Anforderung nicht umzusetzen.
Bei den sehr gut ausgestatteten Universitätskliniken sind die technischen Anforderungen erfüllt – allerdings gibt es in Deutschland nur 38 Universitätskliniken. Dies führt zu einer deutlich höheren Fahrzeit und somit zu sinkender Impfbereitschaft. Zusätzlich erfordert die Zentralisierung der Impfung ein ausgereiftes Hygienekonzept, jedoch kann die vorgeschlagene Impfpriorisierung leichter eingehalten werden.
Ein Kompromiss-Szenario stellen die 400 Gesundheitsämter dar, welche zumindest mit weniger spezialisierter Kühltechnik ausgestattet werden könnten. Die Studie zeigt aber auch, dass bereits 81 gut positionierte Impfzentren ausreichen, damit 75 Prozent der Bevölkerung innerhalb von 35 km Luftlinie geimpft werden können.
RKI, TUK und ITWM evaluieren gemeinsam
Die Forscherinnen am ITWM haben gemeinsam mit dem RKI und der TU Kaiserslautern unterschiedlichste Impfszenarien und mathematische Modelle diskutiert. Für ausgewählte Szenarien wurden an der TU Kaiserslautern mithilfe mathematischer Programmierung optimale Standorte identifiziert und unterschiedliche Zuweisungen der Bevölkerung zu den einzelnen Impfstandorten berechnet. Dabei wurden bei der Optimierung diverse Kriterien berücksichtigt, wie die Fahrzeit der Impflinge, die Auslastung der Ärztinnen und Ärzte oder Kapazitätsgrenzen der Impfzentren. Die einzelnen Szenarien wurden am ITWM detailliert analysiert und für weitere Diskussionen in entsprechenden Entscheidungsgremien graphisch und tabellarisch aufbereitet. Die Abbildung zeigt beispielhaft eine Analyse der Entfernung von Impflingen zu Impfzentren für diverse Szenarien.
Eingebettet ist die Standortplanung in das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Verbundprojekt HealthFaCT, das die Optimierung der ambulanten medizinischen Versorgung im ländlichen Raum zum Inhalt hat. »In der Hauptprojektphase haben wir ein Modell zur Standortoptimierung von Notärzten:innen entwickelt, das wir jetzt auf die Optimierung von Impfzentren angepasst haben«, sagt Prof. Dr. Sven Krumke, Dekan des Fachbereichs Mathematik der TU Kaiserslautern.
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