Intelligente Bremsbeläge diagnostizieren sich selbst: Sicher unterwegs mit integrierten Sensoren

Wer sich auf seine Bremsen verlassen kann, fühlt sich sicher im Autoverkehr. Noch angenehmer wäre es, die Bremsbeläge würden laufend melden, wie fit sie noch sind. Wie es gelingen kann, entsprechend intelligente Reibbeläge zu realisieren, haben Experten des Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrums Darmstadt vom Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF gemeinsam mit der LF GmbH & Co KG aus Leverkusen erforscht. In einem Umsetzungsprojekt integrierten sie Sensoren in Bremsbeläge, um auf Basis einer nachgeordneten Datenverarbeitung Informationen über den Betriebszustand zu gewinnen und den Belägen die Fähigkeit zur Eigendiagnose zu ermöglichen. Dank dieser Integration lassen sich Daten aus dem Inneren des Reibbelags über die Schichtdicke und den Verschleißzustand bestimmen. Langfristig soll es möglich sein, selbstoptimierende Bremssysteme anzulernen und Rückschlüsse über Bremsdruck, Reibwerte, Bremsmomente und das Regelverhalten der Bremsanlage zu ziehen.

Die Leverkusener LF GmbH & Co. KG entwickelt und produziert innovative Reibmaterialien für Industrie-Kupplungen und Bremsbeläge. Im Gegensatz zu etablierten Technologien, erlaubt es die spezielle Art der Fertigung, „intelligente“ Reibbeläge herzustellen, da sie aus flüssiger Phase und drucklos im niedrigen Temperaturbereich (RT-120°C) erfolgt. Im Rahmen des Umsetzungsprojekts wählten die Fachleute zunächst geeignete Sensoren aus, die sie vor dem Fertigungsprozess kontaktierten und anschließend in der Flüssigphase integrierten. Auf diese Weise konnten die Sensoren Daten aus dem Inneren des Reibbelags liefern, die sowohl vor und nach Bremsvorgängen als auch während umfangreicher Bremsentests ermittelt wurden.

Bereits die Vortests zeigten, wie sensibel die integrierte Sensorik gegenüber äußeren Lasten und Druckwechseln war. Durch die Integration mehrerer Sensoren in einem Bremsbelag konnte das Team zudem Zustände ungleicher Druckverteilung im Bremsbelag identifizieren. Über Messungen der Schwingungseigenschaften der Sensoren in Verbindung mit dem Reibbelag konnten die Experten zudem Aussagen über die Schichtdicke des Reibbelags treffen. »Dadurch kann der eingesetzte Auswertalgorithmus zukünftig den Verschleißzustand der Reibbeläge beurteilen und Schädigungen durch Steifigkeitsänderungen der Reibschicht erkennen. Langfristig sehen wir die Möglichkeit, selbstoptimierende Bremssysteme mit solchen Informationen anzulernen«, erklärt Jonas Martin Brandt, der das Projekt im Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Darmstadt des Fraunhofer LBF betreut.

Verhalten von Brems- oder Kupplungsanwendungen erkennen und verbessern

In abschließenden Tests an einem Bremsenprüfstand setzten die Forschenden die Sensoren in den Bremsbelägen den für Bremsvorgänge typischen Lasten und Temperaturen aus. Analysiert wurden dabei die Wechselwirkungen verschiedener Bremsdrücke mit der Bremshydraulik, so dass die Fachleute die optimale Krafteinleitung für die verschiedenen Druckbereiche ermitteln konnten. »Zukünftig sind durch die eingebettete Sensorik Rückschlüsse über den eigentlichen Bremsbelag hinaus möglich. So lässt sich das typische Verhalten von Brems- oder Kupplungsanwendungen erkennen und gegebenenfalls verbessern«, prognostiziert Brandt.

Aus den positiven Ergebnissen des Projekts ergeben sich Möglichkeiten für industrielle Anwendungen. Im nächsten Schritt werden die Experten untersuchen, inwiefern die Bestimmung nicht direkt messbarer Parameter und Informationen über entsprechende KI-Algorithmen möglich ist und welche weitere Sensorik sich für die Integration in entsprechende Reibbeläge eignet.

Wie die beiden Projektpartner den intelligenten Reibbelag realisierten, zeigt ein Video. Weitere Informationen zur Digitalisierung von Bremsbelägen bietet das Fraunhofer LBF hier.

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Das Fraunhofer LBF in Darmstadt steht seit über 80 Jahren für Sicherheit und Zuverlässigkeit von Leichtbaustrukturen. Mit seinen Kompetenzen auf den Gebieten Betriebsfestigkeit, Systemzuverlässigkeit, Schwingungstechnik und Polymertechnik bietet das Institut heute Lösungen für drei der wichtigsten Querschnittsthemen der Zukunft: Systemleichtbau, Funktionsintegration und cyberphysische maschinenbauliche Systeme. Im Fokus stehen dabei Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen wie Ressourceneffizienz und Emissionsreduktion sowie Future Mobility, wie die Elektromobilität und das autonome, vernetzte Fahren. Umfassende Kompetenzen von der Datenerfassung realen betrieblichen Feldeinsatz über die Datenanalyse und die Dateninterpretation bis hin zur Ableitung von konkreten Maßnahmen zur Auslegung und Verbesserung von Material-, Bauteil- und Systemeigenschaften bilden dafür die Grundlage. Die Auftraggeber kommen u.a. aus dem Automobil- und Nutzfahrzeugbau, der Schienenverkehrstechnik, dem Schiffbau, der Luftfahrt, dem Maschinen- und Anlagenbau, der Energietechnik, der Elektrotechnik, der Medizintechnik sowie der chemischen Industrie. Sie profitieren von ausgewiesener Expertise der gut 400 Mitarbeiter und modernster Technologie auf mehr als 17 900 Quadratmetern Labor- und Versuchsfläche.

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