„Thomas Hartung und Marcel Leist stehen seit vielen Jahren für die 3R-Forschung, insbesondere für das Replacement. Wir zeichnen sie, anders als Preisträger der Vergangenheit, nicht allein für die Entwicklung einer Alternativmethode, sondern für ihr Lebenswerk aus. Sie haben über die reine Grundlagenforschungstätigkeit hinaus einen großen Beitrag für den Tierschutz geleistet“, sagte die Vorsitzende der DFG-Senatskommission für tierexperimentelle Forschung, Professorin Dr. Brigitte Vollmar, die auch Mitglied der Händel-Tierschutzpreis-Jury ist. „Die beiden Preisträger haben als Co-Direktoren des Center for Alternative to Animal Testing, CAAT-Europe, in Konstanz eine Vorreiterrolle für die Entwicklung von Alternativmethoden im Bereich der Toxikologie inne und sind international hoch anerkannt.“
Den Preisträgern gelang es, anhand der Informationen über die Toxizität einer bereits gut untersuchten Substanz Vorhersagen über die Giftigkeit eines bisher nicht erforschten Stoffes zu treffen (sogenanntes READacross-Verfahren). Damit lassen sich toxikologische Bewertungen von Chemikalien ohne zusätzliche Tierversuche vornehmen und neue Studien vermeiden, die mit einer hohen Anzahl an Versuchstieren einhergehen. Mithilfe Künstlicher Intelligenz entwickelten die Preisträger zudem den RASAR-Ansatz (read-across-based structure activity relationships), der Informationen aus toxikologischen Datenbanken für automatisierte Vorhersagen nutzt und damit ebenfalls dazu beitragen kann, die Zahl der Tierversuche zu reduzieren.
Die Jury des Händel-Preises überzeugte nicht nur die Forschung der beiden Wissenschaftler an Alternativmethoden, sondern auch ihre Verdienste im Bereich der Implementierung der Methoden und der damit verbundenen Akzeptanzschaffung in der Toxikologie. So haben sie insbesondere durch internationale Vernetzung der verschiedenen Stakeholder – Forschende, regulatorische Behörden, Nichtregierungsorganisationen und Industrie – einen wesentlichen Beitrag zur Anerkennung von Alternativmethoden leisten können.
Thomas Hartung studierte Informatik, Biochemie und Medizin. Er wurde 1992 in Tübingen als Toxikologe promoviert, bevor er als Assistenzprofessor nach Konstanz wechselte. Nach einigen Jahren als CEO des Steinbeis Technology Transfer Center for In Vitro Pharmacology and Toxicology stand er zwischen 2002 und 2008 an der Spitze des European Centre for Validation of Alternative Methods im italienischen Ispra. Seit 2009 ist er Professor an der Bloomberg School of Public Health der Johns Hopkins University in Baltimore und Co-Direktor des bereits angesprochenen CAAT in Konstanz. Das CAAT ist ein Joint Venture der Universitäten in Baltimore und Konstanz und wird von der schweizerischen Doerenkamp-Zbinden-Stiftung für versuchstierfreie Forschung unterstützt. Hartung ist zudem Honorarprofessor in Konstanz. Er wurde für seine Forschungsarbeiten mehrfach ausgezeichnet, etwa mit dem US Society of Toxicology Enhancement of Animal Welfare Award.
Marcel Leist ist seit der Gründung des CAAT-Europe im Jahr 2009 Co-Direktor. Der studierte Biochemiker und Toxikologe wurde in Konstanz promoviert. Im Anschluss war er zunächst am German Institute of Human Nutrition in Potsdam-Rehbrücke tätig, dann kehrte er als Gruppenleiter an die Universität Konstanz zurück. Zwischen 2000 und 2006 arbeitete er beim Pharmaunternehmen Lundbeck in Kopenhagen, bevor er erneut nach Konstanz zurückkehrte, um dort den neuen Lehrstuhl für In Vitro Toxicology and Biomedicine zu übernehmen. Für seine Arbeiten erhielt Leist mehrere Preise, darunter den Animal Welfare Research Award des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft.
Die beiden Preisträger wurden unter neun Bewerberinnen und Bewerbern ausgewählt. Sie werden das Preisgeld von 80 000 Euro nutzen, um Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern bereits in frühen Stadien ihrer wissenschaftlichen Karriere Zugang zu 3R-Forschung zu ermöglichen. Die Preisverleihung ist für den 1. Oktober in Gießen am Interdisciplinary Centre for 3Rs in Animal Research (ICAR3R) geplant.
Der Ursula M. Händel-Tierschutzpreis geht auf die Initiative seiner gleichnamigen Stifterin zurück. Die Düsseldorferin Ursula M. Händel (1915–2011) setzte sich über Jahrzehnte in vielfältiger Weise für den Tierschutz ein. So gründete sie unter anderem den Bonner Arbeitskreis für Tierschutzrecht und engagierte sich in diesem Rahmen für die Novellierung des Tierschutzgesetzes. Dem Tierschutz in Wissenschaft und Forschung besonders verbunden, stellte Händel der DFG Mittel für den Tierschutzpreis zur Verfügung. Der Preis wird alle zwei Jahre vergeben.
Informationen zum Preis, Ursula M. Händel und den Preisträgerinnen und Preisträgern unter: www.dfg.de/haendel-preis
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