Schwingungsbasiert und zerstörungsfrei: Adaptiver Messkopf misst elektromechanische Impedanz

In allen industriellen Branchen stehen Hersteller struktureller Komponenten vor einer Herausforderung: Sie müssen die gewünschte Qualität und die Betriebsfestigkeit ihrer Produkte über die Lebenszeit sicherstellen. Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF haben jetzt einen innovativen Messkopf entwickelt, der schwingungsbasiert und zerstörungsfrei den Zustand einer Struktur anhand der elektromechanischen Impedanz prüfen kann. Er wird ohne zusätzliches Koppelungsmedium an die Prüfstruktur angedrückt, die somit nicht verändert wird. Der Messkopf ist imstande, simultan die Prüfstruktur anzuregen und die elektromechanische Impedanz zu messen. Näheres über das neue Messinstrument zeigt das Fraunhofer LBF in einem Video.

Ein vielversprechendes Verfahren in der zerstörungsfreien Prüfung struktureller Komponenten basiert auf der Messung der elektromechanischen Impedanz. Dafür wird normalerweise ein piezoelektrischer Wandler auf die Prüfstruktur geklebt, um die elektromechanische Kopplung herzustellen. Allerdings lässt sich der Wandler nach der Messung nur mit großem Aufwand entfernen. Dadurch besteht das Risiko, die Struktur zu beschädigen. Dies hat bisher die Anwendbarkeit des Verfahrens eingeschränkt, da der Messpunkt nicht flexibel geändert werden konnte und die Sensorik dauerhaft im Bauteil verbleiben musste. Daher hat ein Technologietransfer in die Industrie bisher nur für stationäre Anwendungen stattgefunden.

Innovativer Messkopf benötigt kein zusätzliches Kopplungsmedium

Kernelement des am Fraunhofer LBF entwickelten innovativen Messkopfes ist ein piezoelektrischer Wandler mit einer Größe von 10×10 Millimeter. Einzigartig am Messkopf ist, dass er ohne zusätzliches Kopplungsmedium nur an die Prüfstruktur angedrückt wird und sich so auch wieder entfernen und an die nächste Messstelle bewegen lässt. Die Prüfstruktur wird somit nicht verändert, und es verbleiben auch keine Klebstoffrückstände auf ihrer Oberfläche. Der Messkopf ist imstande, simultan die Prüfstruktur anzuregen und die elektromechanische Impedanz zu messen.

Hohe Sensitivität

Der Energieverbrauch des neuen Messkopfs liegt mit weniger als 500 Milliwatt deutlich unterhalb dem konventioneller Messverfahren, wo er eine Größenordnung höher liegt. »Auch im Hinblick auf die einstellbare, hohe Sensitivität ist der Messkopf konventionellen Verfahren überlegen und kann in der Identifikation von strukturellen Änderungen einen deutlichen Mehrwert für den Kunden aus der Prüf- und Messtechnik bis hin zu Endanwendern in der Automobil- und Luftfahrtindustrie generieren«, erklärt Wissenschaftlerin Ye Ji Park, die das Projekt am Fraunhofer LBF betreut.

Der am Fraunhofer LBF neu entwickelte Messkopf identifiziert strukturelle Änderungen, indem er Qualitätsabweichungen oder Materialfehler in der inline- oder offline-Fertigung detektiert. Zudem kann er Strukturfehler frühzeitig erkennen, um ein unerwartetes Materialversagen zu vermeiden.

Im Zuge einer vibrationsbasierten Messung zeigt der Messkopf im Vergleich zu akustischen oder optischen Systemen eine höhere Sensitivität für Strukturänderungen. Bei referenzbasierten Messungen erhöht der Messkopf die statistische Zuverlässigkeit und Entscheidungssicherheit. Darüber hinaus ermöglicht er es, strukturelle Änderungen über die Lebenszeit nachzuverfolgen.

Prozessoptimierung und maximale Produktqualität

Im Rahmen des durch die Europäische Kommission geförderten Luftfahrt-Forschungsprojekts Clean Sky 2 ist der Messkopf in ein automatisiertes Messsystem und in die Infrastruktur einer Produktionsanlage integriert worden. Derzeit ist auf diesem Wege eine Untersuchung von Strukturen bis zu einer Länge von rund acht Metern möglich. Mittelfristig ist geplant, die Signale des Messkopfs auch direkt für die Prozessoptimierung zu nutzen. Auf diese Weise trägt die Technologie nicht nur zur Überwachung, sondern auch zur Maximierung der Produktqualität bei.

Über Fraunhofer Institut LBF

Das Fraunhofer LBF in Darmstadt steht seit über 80 Jahren für Sicherheit und Zuverlässigkeit von Leichtbaustrukturen. Mit seinen Kompetenzen auf den Gebieten Betriebsfestigkeit, Systemzuverlässigkeit, Schwingungstechnik und Polymertechnik bietet das Institut heute Lösungen für drei der wichtigsten Querschnittsthemen der Zukunft: Systemleichtbau, Funktionsintegration und cyberphysische maschinenbauliche Systeme. Im Fokus stehen dabei Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen wie Ressourceneffizienz und Emissionsreduktion sowie Future Mobility, wie die Elektromobilität und das autonome, vernetzte Fahren. Umfassende Kompetenzen von der Datenerfassung realen betrieblichen Feldeinsatz über die Datenanalyse und die Dateninterpretation bis hin zur Ableitung von konkreten Maßnahmen zur Auslegung und Verbesserung von Material-, Bauteil- und Systemeigenschaften bilden dafür die Grundlage. Die Auftraggeber kommen u.a. aus dem Automobil- und Nutzfahrzeugbau, der Schienenverkehrstechnik, dem Schiffbau, der Luftfahrt, dem Maschinen- und Anlagenbau, der Energietechnik, der Elektrotechnik, der Medizintechnik sowie der chemischen Industrie. Sie profitieren von ausgewiesener Expertise der gut 400 Mitarbeiter und modernster Technologie auf mehr als 17 900 Quadratmetern Labor- und Versuchsfläche.

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