Die Aufgabe hatte es in sich: „Entwerfen und bauen Sie eine landefähige Rakete aus Carbon, die sinnvoll und wirtschaftlich nutzbar ist“ lautete heuer die Projektaufgabe am Institut für Materials Resource Management (MRM) der Universität Augsburg. Der Antrieb sollte für elektrisches Auf- und Absteigen ausgelegt sein. Dafür konnten Batterien, Brennstoffzellen als Stromgeneratoren sowie Wasserstoff oder e-Fuel für das Strahltriebwerk genutzt werden. In sechs Teams stellten sich die Studierenden der Wirtschaftsingenieur-Wissenschaft (WING) dieser Herausforderung.
Seit April dieses Jahres entwarfen und bauten sie unterschiedliche Formen von Flugkörpern, nutzten dafür Raketen- und Drohnentechnologie und ließen sich vom Segelgleitflug inspirieren. Alle Teams nutzten für die tragenden Komponenten den extrem leichten und widerstandsfähigen Werkstoff Carbon, der auch im modernen Wirtschafts-Leichtbau das Material der Wahl ist. Ihre „Lufttaxis“ konzipierten die jungen Entwicklerinnen und Entwickler für die schnelle Beförderung etwa von Blutkonserven oder Transplantationsorganen, von Fracht und Passagieren oder für die Aufklärung und Überwachung unzugänglicher Gebiete.
Theorie und Praxis
Mitte August dann die Probe aufs Exempel. Würden die Modelle die in sie gesetzten Erwartungen beim Probestart erfüllen? Das Zusammenspiel der elektrischen Antriebskomponenten mit der Umschaltung auf den Raketenantrieb ist komplex. Daher sind die Erkenntnisse aus ersten Flugerprobungen wichtig für weitere Anpassungen der technischen Ausführung. Es lief dann wie im echten Leben: Böige Winde, vor allem aber die Tücken der Technik sorgten dafür, dass fünf der sechs Fluggeräte nahe am Boden blieben. Lediglich eines erhob sich wie geplant rund 20 Meter hoch in die Lüfte und glitt dann durch die Lüfte. Es handelte sich dabei um einen Raketengleiter mit einklappbarem Rotorantrieb, den die Gruppe 5 (WingAux) speziell für die Highspeed-Logistik über große Strecken konzipiert hatte.
Die WING-Teams selbst und ihr betreuender Professor Dr. Michael Heine sind letztlich durchaus zufrieden. „Die Aufgabe war komplex und nur im Team zu lösen“, so der Professor am Lehrstuhl Materials Engineering des Instituts für Materials Resource Management (MRM). „Das haben die Studenten ganz hervorragend gemeistert. Sie haben viel geleistet und viel gelernt!“ Nicht zu vergessen, dass Kenntnisse zum Leichtbaumaterial Carbon und Ideen, wie man es intelligent nutzt, in der Industrie sehr gefragt sind.
Nachwuchs aus Augsburg für Leichtbau
„Mit anwendungsnahen Leichtbau-Projekten wie diesen qualifizieren wir unsere WING-Studentinnen und -Studenten für die Zukunft“, bestätigt Heine. Das komme auch dem Technologiestandort Augsburg und damit letztlich ganz Bayern zugute.
Entscheidend für den Erfolg des Praxisprojekts sei laut Heine auch die enge Kooperation mit der Raketen-Modellsport-Gemeinschaft (RAMOG e.V.) Augsburg gewesen sowie die Unterstützung bei der technischen Auslegung durch Dr. Tobias Dickhut, Ingenieur bei MT Aerospace. Gemeinsam wollen Universität und RAMOG diesen Open-Innovation-Ansatz künftig weiter ausbauen.
Von Vorteil sei zudem, dass in Augsburg mit dem Carbon Composites e. V. (CCeV) ein leistungsstarker Verbund von Unternehmen und Forschungseinrichtungen angesiedelt ist, der die gesamte Wertschöpfungskette der Hochleistungsfaserverbundwerkstoffe in Deutschland, Österreich und der Schweiz abdeckt. „Das“, so Heine, „eröffnet nicht nur unseren Studentinnen und Studenten hervorragende Berufsaussichten.“
Freistaat Bayern fördert Lufttaxi-Forschung
Besonders bedeutsam sind solche Überlegungen vor dem Hintergrund, dass die Forschungs- und Entwicklungsregion Augsburg jüngst vom Freistaat Bayern eine Förderzusage in Höhe von 20 Mio. Euro erhielt für die impulsgebende Weiterentwicklung der Bayrischen Luftfahrt mit Schwerpunkt Lufttaxis. Weitere 20 Mio. Euro wollen Wirtschaft und Industrie beisteuern, die damit ebenfalls die CCeV-Initiative zur Stärkung des Leichtbau-Standorts Deutschland mittragen.
Carbon Composites e.V. (CCeV) ist der größte Verbund von Unternehmen und Forschungseinrichtungen im Bereich der Hochleistungs-Faserverbundwerkstoffe für den multimaterialen Leichtbau im europäischen Raum. Er vernetzt Forschung und Wirtschaft in Deutschland, Österreich und der Schweiz und deckt die gesamte Wertschöpfungskette ab.
CCeV versteht sich als Kompetenznetzwerk, um die Anwendung von multimaterialem Leichtbau zu fördern. Schwerpunkt dabei sind marktfähige Hochleistungs-Faserverbundstrukturen. Bekannt sind auch Faserverbundstrukturen mit Keramikmatrices, die außerordentlich temperatur- und verschleißbeständig sind.
CCeV wurde im Jahr 2007 gegründet und hat derzeit rund 300 Mitglieder. Sitz des Vereins ist Augsburg.
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