Die fachübergreifende Forschungsarbeit des Teams von Dr. Ingo Alig aus dem Bereich Kunststoffe des Fraunhofer LBF, zu dem Dr. Dominik Tenzer und Dr. Dirk Lellinger gehören, verknüpft die Entwicklung von Messmethoden und umfangreichen experimentellen Untersuchungen während der Harzhärtung mit orts- und zeitaufgelöster Simulation. Das Wechselspiel von Sauerstoffinhibierung und Inhibierung durch Radikalfänger während der radikalischen Polymerisation und Vernetzung von Methacrylatharzen bestimmt die Länge der Induktionszeiten (technisch: „offene Zeit“) und die Dicke der durch nachdiffundierenden Sauerstoff nicht vollständig ausgehärteten Oberflächenschicht. Die Steuerung der „offene Zeit“ durch zugeschnittene Inhibitor/Initiator-Systeme ermöglicht eine Anpassung an den jeweiligen Verarbeitungsprozess. Das ist sowohl für schnellhärtende reaktive Beschichtungen, aber auch für Injektionsdübel im Baubereich von Interesse. Auch für andere Anwendungen, wie beispielsweise in der Medizin, bei denen die Dauer der Inhibitionszeit kontrolliert und die Schichtdicke der sauerstoffinhibierten, unreagierten Oberflächenschicht reduziert werden soll, können die Forschungen der Darmstädter Wissenschaftler hilfreich sein. Die Untersuchungen zeigen weiterhin, dass die diffusionskontrollierte Polymerisation in thermisch härtenden Systemen zu einer scharfen Grenzfläche zwischen weitgehend ausreagiertem Harz und dem nur wenig reagierten Oberflächenbereich führt.
Die experimentellen Arbeiten, die Softwareentwicklung und die Simulationen des chemischen Umsatzes sowie der mechanischen und dielektrischen Eigenschaften, die eine gute Übereinstimmung mit experimentellen Daten zeigten, wurden wesentlich durch Dr. Dominik Tenzer während seiner Doktorarbeit und Dr. Dirk Lellinger ausgeführt. Beide sind Mitautoren des Tagungsbeitrages „Interplay of oxygen inhibition and inhibition by scavengers during free-radical polymerization of methacrylate resins: Inhibition period and formation of an unreacted surface layer“.
Simulation und Rezepturentwicklung von Acrylaten
Die Kopplung von Rezepturentwicklung, Verfolgung von Härtungsvorgängen und Simulationen der Reaktionskinetik und Materialeigenschaften von Reaktivharzen eröffnet neue Möglichkeiten für die Entwicklung zugeschnittener Harzsysteme. Dieser Weg wird im Bereich Kunststoffe des Fraunhofer-Institutes für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF seit vielen Jahren verfolgt und ist nicht auf Methacrylate beschränkt. Die entwickelten Methoden zur Kopplung von messtechnischer Analyse und Modellbildung werden für verschiedene Acrylat-, Epoxidharz- und Polyurethan-Systeme für Lacke und Beschichtungen, Klebstoffe, Elektronikverkapselungen, Bauanwendungen oder in der Medizintechnik angewendet. Dies gilt sowohl für thermische als auch die UV-Härtung. Die messtechnische Erfassung und Simulation von reaktionsbedingten Schwindungen und Spannungen ist darüber hinaus für die Optimierung der Rezepturen und des Verarbeitungsprozesses für Leichtbauanwendungen von Interesse. Darüber hinaus entstehen im Darmstädter Institut neue, maßgeschneiderte Kunststoff-Verbunde, einhergehend mit den entsprechenden Verarbeitungstechnologien, um etwa eine gewünschte Produktperformance bei gleichzeitiger Energie- und Ressourceneinsparung zu erzielen.
Das Fraunhofer LBF in Darmstadt steht seit über 80 Jahren für Sicherheit und Zuverlässigkeit von Leichtbaustrukturen. Mit seinen Kompetenzen auf den Gebieten Betriebsfestigkeit, Systemzuverlässigkeit, Schwingungstechnik und Polymertechnik bietet das Institut heute Lösungen für wichtige Querschnittsthemen der Zukunft: Systemleichtbau, Funktionsintegration und cyberphysische maschinenbauliche Systeme. Im Fokus stehen dabei Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen wie Ressourceneffizienz und Emissionsreduktion sowie Future Mobility. Umfassende Kompetenzen von der Datenerfassung im realen betrieblichen Feldeinsatz über die Datenanalyse und die Dateninterpretation bis hin zur Ableitung von konkreten Maßnahmen zur Auslegung und Verbesserung von Material-, Bauteil- und Systemeigenschaften bilden dafür die Grundlage. Die Auftraggeber kommen u.a. aus dem Automobil- und Nutzfahrzeugbau, der Schienenverkehrstechnik, dem Schiffbau, der Luftfahrt, dem Maschinen- und Anlagenbau, der Energietechnik, der Elektrotechnik, der Medizintechnik sowie der chemischen Industrie. Sie profitieren von ausgewiesener Expertise der über 400 Mitarbeiter und modernster Technologie auf mehr als 11 560 Quadratmetern Labor- und Versuchsfläche.
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