Modellbau als Open-Innovation-Ansatz für Hochtechnologie-Entwicklungen

Fünf, vier, drei, zwei, eins – Start. Mit dieser aus der Weltraumfahrt bekannten Prozedur für den Start von Raketen beginnt jeder Start eines Modells bei der Raketenmodellsport-gemeinschaft e.V., kurz RAMOG genannt.

Dieser als gemeinnützig anerkannte Verein mit Sitz in Augsburg und Mitgliedern im ganzen Bundesgebiet hat es sich vor 33 Jahren zum Ziel gesetzt, den Raketenmodellbau in sportlicher Anwendung nach den internationalen Regeln der Fédération Aéronautique Internationale (FAI), der Dachorganisation des internationalen Luftsports auszuüben. Die sportlichen Erfolge können sich durchaus sehen lassen. Neben einer ganzen Reihe von deutschen Meistern sind Europameister und Weltmeister aus dem Verein hervorgegangen. Ein Mitglied dieses Vereins wie auch Mitglied des Carbon Composites e.V., ebenfalls in Augsburg, Franz Weißgerber aus Wallerstein, brachte es sogar auf vier Weltmeisterschaften. Einen Weltrekord konnte Günther Geschwilm aus Streitheim für sich verbuchen. 

Nachdem Raketenmodellsportler eine Versicherung und eine Sportlizenz benötigen, ist die RAMOG über den Luftsport-Verband Bayern dem Deutschen Aero Club angeschlossen und wirkt in diesen Spitzenorganisationen mit. Zwei Mitglieder der RAMOG sind als Fachreferenten in der Modellflugkommission des Luftsport-Verbandes tätig.

So einfach wie ein Raketenmodellstart aussieht – er gleicht dem Start einer Silvesterfeuerwerksrakete – so steckt doch in jedem Modell eine Menge Fachwissen und jahrelange Entwicklungsarbeit. War die RAMOG in den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens mehr auf die Veranstaltung von Sportwettbewerben ausgerichtet, so hat sie sich wegen des Rückgangs am Interesse für sportliches Vergleichsfliegen der Förderung und Ausbildung des am Raketenmodellbau interessierten „Nachwuchses“ zugewandt.  Dabei werden die Kenntnisse und Erfahrungen aus Jahrzehnten an Schüler, Auszubildende und Studenten, aber auch an Lehrer von Bildungseinrichtungen und an Professoren von Universitäten und Hochschulen weitergegeben.

Das Interesse ist dort sehr groß, da die Physik und Technik der Raketen- und Raumfahrttechnologie an allgemeinbildenden Schulen im Unterricht nur untergeordnet behandelt wird. Für die Universitäten und Hochschulen ist der multidisziplinäre Ansatz der Technologie sehr reizvoll, da hierdurch physikalische, chemische und technische Zusammenhänge verknüpft werden können, die auch einen wirtschaftlichen Sinn ergeben.

So unterstützten Vereinsmitglieder im vergangenen Jahr u. a. z. B. ein Sommercamp von MINT EC, einer Organisation für die stärkere Förderung von Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik an allgemeinbildenden Schulen.

Die Kenntnisse der RAMOG machen sich inzwischen auch Behörden zunutze. So werden sie häufig von Luftfahrtbehörden oder Gewerbeaufsichtsämtern zu Rate gezogen, wenn es um Gefahrenbeurteilung bei Raketenmodellaufstiegen geht. Seit vielen Jahren ist der Verein „staatlich anerkannter Lehrgangs-Träger“ für den Umgang mit leistungsstarken Raketen-modellantrieben.

Besonders hervorzuheben ist der regelmäßige Austausch zwischen dem RAMOG und den Hochschulen in Augsburg und Bremen, sowie den Universitäten Augsburg und Würzburg.

An der Universität Augsburg findet regelmäßig am Institut für Materials Resource Management (MRM) innerhalb des Lehrstuhl Materials Engineering ein Projektpraktikum „Leichtbau“ statt. Dort wird mit dem Bachelor- und Masterstudiengang WING eine möglichst breite und interdisziplinäre Wirtschafts- und Ingenieursausbildung an der Schnittstelle zwischen Materialwissenschaften, Ressourcenstrategie und Wirtschaftswissenschaften umgesetzt. Das Praktikum wird sowohl im Bachelorstudiengang als auch im Masterstudiengang angeboten.

Die Studierenden sollen in einer Kleingruppe ein Projektthema aus dem Bereich des Leichtbaus mit Carbonfasern bearbeiten. Es ist eine materialtechnische Fragestellung zu interpretieren und eine konstruktive Lösung zu erarbeiten. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die handwerkliche Umsetzung, der Test und die Bewertung der Lösung unter Praxisbedingungen sowie die Ausarbeitung eines Konzepts zur Vermarktung der technischen Lösung.

Die Projektaufgabe wird jedes Mal abgewandelt und neu formuliert und die Studenten erfahren die Details erst beim Kickoff-Treffen zur Veranstaltung.

Zuständig für das Projekt ist Prof. Dr. Michael Heine vom MRM der Universität Augsburg. Er wird hier unterstützt von einem Ingenieur der MT Aerospace Augsburg, Dr. Tobias Dickhut.

Prof. Dr. Michael Heine ist gleichzeitig als Innovationsmentors im Carbon Composite e.V. tätig. Er verfügt über langjährige Wirtschaftserfahrung bei SGL Carbon und hat Zugang zur aktuellen Forschung über eine weitreichende interdisziplinare Vernetzung. Er besitzt mehr als 30 Jahre Erfahrung im Bereich der Carbonfasern und Verbundwerkstoffe, davon 25 Jahre bei SGL Carbon. Als Leiter der Entwicklung und Prototypfertigung war er dort in den Produktgruppen Fasern, Filze, Gewebe, Prepreg, CFK, CFC, CSiC und Brennstoffzellenkomponenten tätig und maßgeblich an der Entwicklung der Carbon-Keramik-Bremsscheibe für Porsche beteiligt.

Der aktuelle Trend zum „Autonomen Fliegen“ und zum Thema „Lufttaxi“ wird aktuell am Lehrstuhl und im CCeV intensiv diskutiert und die Kooperation mit RAMOG liefert hier viele neue Ansätze, die bei zukünftigen Forschungsarbeiten umgesetzt werden sollen.

Über den Composites United e.V.

Carbon Composites e.V. (CCeV) ist der größte deutschsprachige Verbund von Unternehmen und Forschungseinrichtungen und deckt die gesamte Wertschöpfungskette der Hochleistungs-Faserverbundwerkstoffe ab. CCeV vernetzt Forschung und Wirtschaft in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

CCeV versteht sich als Kompetenznetzwerk zur Förderung der Anwendung von Faserverbundwerkstoffen. Die Aktivitäten von CCeV sind auf die Produktgruppe "Marktfähige Hochleistungs-Faserverbundstrukturen" ausgerichtet. Schwerpunkte liegen auf Faserverbundstrukturen mit Kunststoffmatrices, wie sie aus vielen Anwendungen auch einer breiteren Öffentlichkeit bekannt sind, sowie auf Faserverbundstrukturen mit Keramikmatrices mit ihren höheren Temperatur- und Verschleißbeständigkeiten.

Der CCeV wurde 2007 gegründet und hat derzeit rund 300 Mitglieder. Sitz des Vereins ist Augsburg.

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